Warum Theater?

Kennt Ihr dieses Werbeplakat, das plötzlich scheinbar überall in der Stadt hängt, und jedes Mal, wenn Ihr es seht, seid Ihr gleichzeitig verstört und fasziniert? Oder dieses Wort, welches Ihr noch nie gehört habt, und plötzlich sagen es alle um Euch herum ständig?

Mir geht es zur Zeit mit einer für mich ganz existenziellen Frage so, die sich mir immer wieder und unausweichlich stellt: Warum Theater?


Das erste, was ich mache, ist  – natürlich – Wikipedia zu konsultieren. Wenn jemand etwas weiss, dann Wikipedia:

Theater (von altgriechisch τὸ θέατρον théatron ‚Schaustätte‘, ‚Theater‘; von θεᾶσθαι theasthai ‚anschauen‘) ist die Bezeichnung für eine szenische Darstellung eines inneren und äußeren Geschehens als künstlerische Kommunikation zwischen Akteuren (Darstellern) und dem Publikum. Mit dem Wort Theater kann das Gebäude gemeint sein, in dem Theater gespielt wird (siehe Theaterarchitektur) oder der Prozess des Theater-Spielens oder auch allgemein eine Gruppe von Menschen, die Theater machen, also eine Theatergruppe. 

Gut, das war im Grunde genommen bereits klar. Auch andere Informationen, wie die Vielschichtigkeit von Theater, dass man es in Sprechtheater, Musiktheater, Tanztheater und Figurentheater unterscheidet, ist für uns alle nichts Neues. Dabei kommen verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Talenten zum Einsatz: Schauspieler:innen, Regisseur:innen, Musiker:innen, Sänger:innen, Tänzer:innen, Dirigent:innen, Choreograph:innen, aber natürlich auch Kostümbildner:innen, Ausstatter:innen, Handwerker:innen, Maskenbildner:innen, Techniker:innen Dramaturg:innen, Theaterpädagog:innen, Intendant:innen und viele mehr.

Und dann kommt der erste Abschnitt, welcher meine Frage vielleicht beantworten könnte:

Die Geschichte des Theaters (zusammengefasst)

Theater gab es bereits in Form von Tänzen in Steinzeitkulturen. Die Ägypter aus der Zeit von 2000 – 1500 vor Christus liessen theatrale Elemente Teil ihrer religiösen Feste sein, ebenso die Mayas. In der griechischen Antike bekam das Theater mehr Definition und neue Grundsätze. Der Theaterraum wurde zu einer Möglichkeit, politische Diskussionen anzuregen und religiöse Feste zu feiern. Etwas später, im Dionysostheater, entstanden die Trennung von Bühne und Publikum und die Formen des Dramas: Tragödien und Komödien. Aristoteles begründete in seinen Abhandlungen die Theaterwissenschaft, und nach und nach durchlebte Theater verschiedene Kulturen, Formen und Phasen und entwickelte sich bis in die heutige Zeit zu dem, was es heute ist.

Obwohl Theater oft eine Kunstform für die oberen Gesellschaftsschichten war, hat es dennoch immer wieder einen Weg oder eine Form gefunden, wie es auch für alle zugänglich sein konnte.

Soviel steht also fest: Theater gab es in irgendeiner Form zu jeder Zeit der Menschheitsgeschichte, als würden “Theater” und “Mensch” unausweichlich zusammengehören.

Trotzdem habe ich den Eindruck, dass diese Kunstform gerade während den letzten zwei Jahren sehr unter den äusseren Umständen gelitten hat und sich die bisherige Theaterkultur verändert und vielleicht sogar verliert. Ist also Theater womöglich gar kein Bedürfnis mehr bzw. löst das neuere Medium Film oder nennen wir es schon “Netflix” das unmittelbare, “angreifbare” Theater ab?

Und das ist der Moment, in dem sich in meinem Inneren etwas aufbäumt, in dem mir leicht übel wird, in dem ich mich verkrampfe und diesen einen Gedanken abwehren möchte: Ist es vielleicht nur Angst, dass das, was ich bin und gerne mache, vielleicht in seiner reinsten Form gar nicht mehr gefragt ist? Bedeutet das, dass die Bedürfnisse der Menschheit sich verändert haben und dass Theater wieder eine Entwicklung durchgemacht hat und jetzt “Film” heisst? Pause. Leere. Ich habe vergessen zu atmen. Ausatmen, einatmen, und dann kommt da noch ein anderer Gedanke: Dieses Gefühl könnte aber auch meine Ur-Verbindung zu Theater sein? Der Teil von mir, der mit dem Theater durch die Menschheitsgeschichte gereist ist und sich jetzt bemerkbar macht? Ich weiss es nicht … Sagt Ihr es mir doch!

Ich weiss nur, dass ich als Kind schon “Theater” gemacht habe. Bei mir hiess das “Das erfundene Lied auf der Schaukel ein sehr repetitiver Liedkreis auf einem Spielplatz“ oder “Löwe und Prinzessin die Rettung meiner damals besten Freundin von unter dem Bett an die Oberfläche … auf’s Bett”, “Die Super-Cousins ein actiongeladenes Improvisationstheater mit drei halb spanischen Superhelden” oder “Die fantastische Reise ins Traumland eine unendliche Geschichte, die sich im Auto in meinem Kopf abspielen konnte”.

Theater ist Spiel, Schauspiel, Theater ist lernen, Theater ist ausprobieren, Theater ist Kommunikation, Theater ist Eventualitäten abschätzen, Theater ist sich Kennenlernen, Theater ist reflektieren, Theater ist Gefühle teilen, Theater ist Menschen wahrnehmen. Und selbst wenn es nicht “nötig” oder “lukrativ” sein sollte, glaube ich, dass es trotzdem aus einem Grund schon immer existiert hat und Teil der Menschheit war. Wir alle haben als Kinder in irgendeiner Form Theater gemacht. Manche haben es vielleicht verlernt, manche haben den eigenen Zugang dazu verloren, aber Theater ist auch wie Fahrrad fahren. Also ... worauf warten wir? Aufspringen und losfahren! Warum also Theater? Weil es schon längst Teil von Dir ist!

Andres Esteban

Founder Gravity9, Bühnendarsteller

https://www.andresesteban.ch/
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